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Dienstag, 26. Dezember 2017

Zwangsstörungen, Zwangsgedanken, Ängste, Panikattacken - alltäglicher als man annimmt.

Psychische Probleme sind schwer zu behandeln: Panikattacken, Ängste


Ich möchte heute einmal ein sehr diffiziles Thema ansprechen: Psychische Krankheiten.
Selbst vermeintlich starke Menschen können in diese Bedrängnis geraten. Und das geschieht oftmals schneller, als man denkt. Ich möchte zwei Fälle aus meinem Bekanntenkreis aufgreifen:

Im einen Fall verlor die Frau ihren Job, in dem sich sich sehr engagiert hatte. Zusätzlich zogen ihre besten Freunde in weite Ferne. Sie suchte Hilfe bei ihren Eltern, wurde aber dort noch zusätzlich belastet, als sie sah, wie die Eltern sich bis aufs Messer stritten. Alles, was ihr Leben ausgemacht hatte, brach unter ihren Füßen weg.

Ihr Ehemann verstand nicht, was geschah. Seine sonst so starke Frau, Mutter von 2 kleinen Kindern saß in einer Ecke und weinte. Und sie weinte 6 Wochen am Stück, hatte Angst allein zu sein, bekam Panik allein im Auto zu fahren.

Man ging den üblichen Weg zum Psychiater. Der verschrieb Antidepressiva und Betablocker. Die Frau nahm sie und alle ihre Symptome verstärkten sich unerträglich. Sie setzte die Tabletten sofort ab.
Wenn man sie fragte, was mit ihr los war, sagte sie: "Ich sehe kein Licht mehr. Mein Leben ist tot. Ich fühle nichts mehr. Keine Liebe, keine Freude. Alles ist tot."

Sie hatte Glück. Sie bekam die Hilfe eines Freundes. Was er tat? Er blieb bei ihr und hörte zu. Monatelang. Er begleitete sie. Zusammen probierten sie neue Dinge aus, gingen spazieren, und er hörte zu, geduldig und lieb.

Allmählich arbeitete die Seele der Frau sich wieder an die Oberfläche. Nach etlichen Monaten hatte sie die Chance auf eine zusätzliche Gesprächstherapie, die ein Jahr dauerte.

Wie es der Frau heute geht? Sie hat die Angst als ständigen Begleiter, aber dieser sitzt in einem Käfig, den sie geschlossen hält. Die Therapie hat ihr geholfen, vieles aufzuarbeiten. Sie hat viel gelesen.
Ich habe sie gefragt, was denn letztendlich am Meisten geholfen hat. Es war die Geduld ihres Freundes, dem sie heute noch unendlich dankbar ist.

Einen echten Durchbruch gegen ihre Panikattacken hatte sie durch ein Buch, das eine Betroffene geschrieben hat: Panikattacke sucht neuen Wirkungskreis von Marion Bohl. Durch dieses Buch bekam sie die Nadel in die Hand, um in die Panikblase zu stechen, sobald sie entstand/entsteht, was auch heute noch gelegentlich der Fall ist.

* * *



Zwangsstörungen, Zwangsgedanken, Waschzwang, Zählzwang, OCD (obsessive-compulsive disorder)


Wenden wir uns einer zweiten Frau zu. Bei ihr entstand eine Kombination aus Zwangsgedanken, Zwangshandlungen, Ängsten und Depressionen.
Sie war schon immer reinlich. Und sie zählte gern. Sie zählte in der Küche die Stühle und Tassen bevor sie sich an den Tisch setzte. Aber sie hatte die Sache in Griff. Es beeinflusste ihr Leben nicht.

Allerdings musste es ihr gut gehen, damit sie diese Gedanken kontrollieren konnte. Sobald sie Probleme hatte, sei es eine Krankheit, Tod in der Familie oder eines Lieblingstiers, sobald sie in Stress geriet, wurden zunächst die Zwangsgedanken stärker. (Anmerkung: Zwangsgedanken sind nicht immer gleichzeitig Zwangshandlungen).

Um es ganz klar zu sagen: Zwangsgedanken und auch -handlungen sind NICHT mit Logik und Arschtritten zu bewältigen! Mit Sprüchen wie "Reiß dich am Riemen" und "Sei stark", ist nichts auszurichten.

Zurück zu der Frau.
Sie kämpfte gegen Gedanken, die ihr die widerlichsten Dinge einflüsterten wie "Du magst doch Kinderficker, gib es zu." oder "Stech deine Oma endlich ab. Komm, da liegt das Messer."  Sie kämpfte dagegen an. "Nein, ich will das nicht. Ich mag das nicht. Geh weg."
Es ging ihr allmählich besser. Und je besser es ihr ging, um so stärker wurde ihre eigene vernünftige Stimme.

Aber geht es einem immer gut? Nein.
Nach einer Weile zwangen sie Lebensumstände und Stress wieder in die Knie. Die Stimmen wurden lauter, ihre eigene Stimme leiser. Sie verlor die Perspektive, was sich sogar räumlich auswirkte. Sie konnte in ihrer Panik Distanzen zu Gegenständen nicht mehr einschätzen. Zum Beispiel konnte sie nicht mehr im Supermarkt an Lenorflaschen vorbeigehen, weil sie dachte, sie hätte sie berührt und sich verunreinigt.

Es entstand eine Phobie gegen Seife und Bakterien. Duschen dauerte 4 ganze Stunden. Die Stimmen zwangen sie ein Ritual zu absolvieren. Tat sie das nicht, quälten die Stimmen sie den Rest des Tages sie sei unrein, sie würde ihre Umgebung "kontaminieren", überall hätte sie Seife verteilt. Das sei ekelig. SIE sei ekelig.

Ihr Verbrauch an Klopapier, Einweghandschuhen und Desinfektionsmittel stieg. Was anfangs Zwangsgedanken gewesen waren, war zu Zwangshandlungen geworden. Ihr Leben war eine Hölle. Sie verlor ihre Lebensqualität, die Haut löste sich von den Händen, die Panik stieg. Jeder Tag wurde zur Pein.

Sicher werden einige, die so etwas noch nicht gesehen oder erlebt haben, fragen: Wie kann man einem solchen Menschen helfen?Braucht er nicht professionelle Hilfe?
Ja, die braucht er - im Grunde. Aber man bekommt sie zumindest in Deutschland nicht wenn man sie braucht.
Da ich den Fall interessiert verfolgt habe, habe ich die vergeblichen Versuche der Mutter mitbekommen, die versuchte einen Psychologen, einen Facharzt oder eine Klinik zu bekommen. Denn bei dem Wort "Zwangsstörungen" winken die meisten ab. Ein Psychologe muss auf diesem Gebiet geschult sein. Man kann einen Zwangskranken nicht in eine Klinik stecken, in dem Menschen mit dem gegenteiligen Problem sind. Die sich nicht waschen, Drogen nehmen und chaotisch sind.

Fachärzte wimmeln "neue Patienten" sofort am Telefon ab. Kliniken sagen, dass sie auf solche Fälle nicht vorbereitet sind. Termine kann man sich nur "ergaunern" indem man behauptet, dass der Kranke suizidgefährdet ist, was ich für ein Armutszeugnis unseres Gesundheitssystems halte. Und selbst dann muss der Betroffene mit monatelangen Wartezeiten rechnen. Alternativ empfiehlt man ihm die "Klapsmühle" mit einer "schützenden Abteilung", die den Kranken lediglich ruhigstellen und in den meisten Fällen die Krankheit verschlimmern.

Also wartet der Patient und steht in dieser Zeit allein da, oder mit einer Familie, die absolut nicht versteht, wie sie ihm helfen kann.

So in den beschriebenen Fall. Wochen waren vergangen. Es war immer schlimmer geworden. Die Frau war kaum noch lebensfähig. Ich sprach viel mit der Mutter, die ihr eigenes Leben in dieser Zeit aufgab, um der Tochter zu helfen. Die Tochter wollte ihr Leben zurück, war bereit an ihrer Krankheit zu arbeiten, was ich für eine entscheidende Voraussetzung zur Bewältigung halte.

Mutter und Tochter suchten "Werkzeuge", die die Tochter gegen ihre Störungen einsetzen konnte. Nach einer Weile merkten sie, dass Ärger, Unmut, Wut, schlechte Gefühle, die Tochter immer wieder zurück warfen. Ich denke, auch in den Kliniken geht man solche Probleme erstrangig an, indem man den Patienten klar macht, dass sie ihr Problem nur lösen können, wenn sie fähig sind es in RUHE zu betrachten.




Werkzeug Nr 1: Ruhe, Gelassenheit, Entspannung


Zuerst muss der Kranke verstehen, dass er sich die Zeit zum Kranksein nehmen muss. Es ist eine Auszeit vom normalen Leben. Sicherlich kein Urlaub, aber so etwas Ähnliches, denn es ist wichtig, dass er diese Auszeit gelassen nimmt. Man ist krank, basta! Alles andere MUSS zurückstehen: Familie, Kinder, Beruf. Erstrangig ist es wichtig, dass der Kranke akzeptiert, dass er krank ist und sich die Zeit zur Genesung nimmt!

Der Krieg gegen psychische Störungen besteht aus vielen Kämpfen. Selbst wenn der Kranke eine Schlacht verloren hat, ist der Krieg nicht verloren. Wenn du auf Diät eine Tafel Schokolade isst, ist deine Diät nicht zerstört, sondern du machst mit ihr weiter. Hat der Kranke einen Kampf verloren, ist verzweifelt und ängstlich, muss er zur Ruhe kommen. Hinlegen, entspannen, Massagen (wenn er sich anfassen lässt), Spaziergänge ohne nervige Gespräche.

Dazu gehören auch Medikamente, die diese Ruhe unterstützen.

Psychopharmaka, die einfach ohne tiefgehende Diagnose verschrieben werden, wenn die Ärzte nicht mehr weiter wissen, sind gefährlich und machen oft lebenslang abhängig.
Im Fall der Mutter und Tochter entschieden sich beide dagegen und suchten pflanzliche Alternativen. Sie suchten stimmungsaufhellende Substanzen und stießen auf Rosenwurz und Johanniskraut. Die Tochter tastete sich mit der Dosierung langsam vor, um herauszufinden, was ihr bekam.
In den Apotheken gibt es kein hoch dosiertes und bezahlbares Johanniskraut. Das findet man nur im Internet.  Die Tochter startete mit 2 x täglich 2000 mg. Wenn die Wirkung nachließ, wurde sie unruhig. Also erhöhte sie die Dosis. Soweit mir bekannt, nimmt sie momentan 4 x täglich 2000 mg und kommt sehr gut damit klar. Das Johanniskraut vermittelt ihr eine grundsätzliche Gelassenheit, um ihre Probleme zu betrachten.

Zusätzlich stellten sie die Ernährung der Tochter um. Zucker wurde komplett gestrichen. Zucker ist eine Droge, die einen hoch hebt und wieder fallen lässt. Psychisch instabile Personen sollten ihn vermeiden. Ebenso wie das mit Medikamenten vollgepumpte Fleisch. Vollwertkost, Obst, Gemüse und viel Wasser sind die geeignete Ernährung.



Werkzeug Nr. 2: Organisation


Werkzeug Nr. 1 zu finden, war ein Anfang. Den Durchbruch erzielte Werkzeug Nr. 2: Organisation.
Die Kranke muss aufschreiben, was die Stimmen ihr befehlen, und die Liste abarbeiten. Denn die Ängste führen dazu, dass sie die erzwungenen Handlungen vergisst, unsicher ist, und sie deshalb so oft wiederholt. Ihre Umgebung muss so sein, dass sie und auch ihr OCD (siehe oben) zufrieden sind.Dabei muss man ihr helfen.
Mutter und Tochter passten die Umgebung an ihre Krankheit an. Dinge wurden weggeräumt, Seife aus dem Bad verbannt, der Duschvorhang, vor dem die Kranke Angst hatte, einfach zusammengebunden. Anfangs machte sie Unterschiede zwischen einer Kontamination durch Seife und Bakterien. Bei Seife mussten Gegenstände mit Wasser abgewaschen werden, die sie berührt hatte, bei Bakterien musste Desinfektionsmittel her. Die kluge Mutter löste das Problem mit Essigwasser, was die Kranke und ihr OCD akzeptierten.

Die zwei organisierten ihren Alltag und "eroberten" nach und nach Umgebung für die Tochter zurück, in der sie sich ohne Angst bewegen konnte. Sie selbst arbeitete daran, dem OCD immer weniger Spielraum zu geben. Auch 40 Minuten exzessivem Händewaschen wurden 5 Minuten. Aus 4 Rollen Klopapier pro Toilettengang wurde eine. Sie entwickelte eine Technik, um die jeweiligen Handlungen abzuschließen. Ein kurzer Schlag irgendwohin oder ein Schnalzen mit der Zunge reichte. Handlung abgeschlossen, OCD zufrieden. Je besser es ihr ging, um so mehr kürzte sie ab und verweigerte auch Handlungen.
Nach und nach kamen auch ihr Humor wieder, den man eigentlich als das dritte Werkzeug gegen psychische Probleme bezeichnen kann.

Zwangsstörungen zu beseitigen ist ein langer Weg. Man braucht Ruhe, Geduld und Zeit. Aber jeder Mensch ist es wert, dass man sich um ihn kümmert, wenn er krank ist. Man darf ihn nicht mit Unverständnis links liegen lassen, mit Tabletten vollpumpen oder sogar wegsperren. JEDER kann in solch eine Situation geraten, auch vermeintlich starke Menschen. Es ist nicht schlimm. Es ist/wird nur schlimm, wenn man falsch damit umgeht und sich nicht ernsthaft um Verständnis bemüht.

Nachdem ich mich näher mit dem Thema auseinander setzte und in meiner Umgebung und auch bei Facebook forschte, um so klarer wurde mir, dass es eine enorme Dunkelziffer von psychischen Erkrankungen gibt. Und es gibt eine Menge leidender Angehöriger, die oftmals verzweifelt sind. Die Menschen wagen nicht darüber zu reden. Sie empfinden es als Schande in unserer Leistungsgesellschaft versagt zu haben.

Ich halte das für einen Fehler. Nur ein Austausch und der offene Umgang damit helfen. Erwartet keine Hilfe von Ärzten und Pillen. Ärzten seid ihr schlichtweg egal. Auch wenn sie diese Tatsache mit einem professionellen Lächeln bemänteln.

Sucht euch als Erste Hilfe Maßnahme verständnisvolle Menschen, die euch helfen. Sucht euch als dauerhafte Begleitung Psychologen, die auf euer Problem geschult sind und die wirklich bereit sind ihre Zeit und Geduld für euch zu opfern.
Das, was ich heute geschrieben habe, ist vielleicht auch eine kleine Hilfe.

Denkt immer an die Werkzeuge:
1. Ruhe und Gelassenheit, um das Problem betrachten zu können
2. Organisation und Planung
2. Humor

Noch ein Nachtrag: Nach meiner Erfahrung sind psychische Erkrankungen auch ohne weiteres genetischer Natur. Wo sie in der Familie sind, sind die Menschen anfälliger dafür. Im Fall unserer beiden Frauen erzählte man mir, dass bereits der Großvater Panikattacken hatte und die Großmutter Ekel. 

Ich wünsche allen betroffenen viel Kraft und gute Besserung!

Eure Pat













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