Sind Self-Publisher Traumtänzer?
Manchmal erscheint es mir so. In den Momenten dieser tiefgründigen Gedanken stehe ich vor meinen ungeputzten Fenstern, vor einem Fertiggericht oder in meinem Garten, in dem das Unkraut schenkelhoch wuchert.
Warum habe ich irgendwann einmal beschlossen, die Geschichten, die in meinem Kopf herumspuken niederzuschreiben und zu veröffentlichen?
Hätte ich mich nicht mit dem Schreiben allein begnügen können?
Nein. Optimistisch wie ich bin, freute ich mich wie ein kleines Kind über die Veröffentlichungsmöglichkeiten, die einem Schreiberling heute offen stehen.
Mir war nicht klar, dass dieser Weg einen ungeheuren Lernprozess in Gang setzen würde. Und dass ich plötzlich den Drang verspüren würde, mehr und noch mehr Lesern meine Werke schmackhaft zu machen.
Nachdem ich nun ein Vermögen an Lehrgeld bei BOD und Lektoren bezahlt habe, irrwitzige Verträge mit unfähigen Verlagen unterschrieben habe (strampeln musste, um sie wieder loszuwerden), fand ich einen Weg für mich, bei dem ich glücklich bin.
Aber woraus besteht dieses Glück? In 14-stündiger Arbeit täglich, Sitzen am Rechner bis Halswirbelsäule, Kopf und Schultern in einem steinharten Konglomerat verwachsen sind.
Geschichten schreiben? Ja klar, dazu komme ich noch – gelegentlich, wenn ich nicht grade html-Dateien in epubs umwandle und stundenlang von Hand Grafiken einfüge, Pressemitteilungen und Autorenprofile für befreundete Autoren verfasse oder deren geistige Ergüsse lese, denn ich konnte es ja nicht sein lassen, auch noch einen eigenen Verlag zu gründen.
Die vertändelten Stunden bei Facebook rechne ich zur Kategorie "Erholung", statt meinen Arsch aus der Bude zu bewegen und zu schauen, ob sich die Jahreszeit inzwischen verändert hat. Mein Freundeskreis hat sich komplett in die Online-Welt verabschiedet. Ins Fitness-Studio (das für mich inzwischen Pflicht geworden ist), gehe ich bewaffnet mit Flyern für meine Bücher und einem flotten Werbeslogan auf den Lippen, denn in der Umkleide sind potentielle Leserinnen.
Nachts irgendwann falle ich ins Bett und ziehe Bilanz: 20 Bücher verkauft. Stück 99 Cent. Prozentsatz für mich: 35%. "Keine 10 Euro Verdienst", denke ich, während ich mir den steifen Nacken mit Mobilat einmassiere. "Aber immerhin mit der eigenen Schreibe verdient. Du hast wohl schon ein paar hundert Euro in jedes Buch gesteckt für Lektorat und für ein wunderschönes Cover, aber, na ja, morgen wird's besser. Kleinvieh macht auch Mist. Irgendwann schreibe ich schwarze Zahlen. Ich freu mich schon drauf."
Und dann rolle ich mich vergnügt in die Kissen und träume von den Helden meiner Bücher, deren Porträts meine Schlafzimmerwände zieren.
Kollegiale Grüße
Pat McCraw
1 Kommentar:
Hallo Pat,
das hast Du schön beschrieben. Im Vergleich zu Dir bin ich ja wahrscheinlich ein kleines Licht. Ich finde die Welt des Self-Publishings irre spannend und es macht mir riesigen Spaß, mich darin zu bewegen. Allerdings habe ich, wie Du wahrscheinlich auch, schnell gelernt, dass man an wirtschaftlichen Erfolg möglichst nicht denken sollte. Das vermiest den Spaß. :-)
Gruß,
Vera
Kommentar veröffentlichen