Leseprobe:
Jake drehte den Wasserhahn in der Gemeinschaftsdusche zu. Er grinste Michael und Harry an, die immer noch seifenverschmiert unter ihren heißen Brausen standen. Was gab es Besseres, als sich nach einem harten Training den Schweiß abzuduschen? Nur hätte er an ein Handtuch denken sollen. Jake tappte tropfnass und leise fluchend zu seinem Spind, um es herauszusuchen. Er hatte die Jungs wieder ganz schön rangenommen, aber sie wussten das zu schätzen. Ihm war sogar schon die Bemerkung zu Ohren gekommen, dass man ihn für den besten Fitness-Trainer hielt, den die Polizeischule je gehabt hätte – ein Lob, das natürlich runter ging wie Öl.
Er frottierte sich das kurze, blonde Haar und grinste grimmig. Ob sie das wohl noch sagen würden, wenn er sich geoutet hätte? Sicherlich nicht. Keiner seiner Kollegen würde mehr unbeschwert neben ihm in der Dusche stehen. Eventuell würde er sogar den uralten Seifenwitz ertragen müssen. Nein, er würde sich hüten das zu tun. Er schnitt eine Grimasse zu dem Bild der spärlich bekleideten Marilyn Monroe in der Tür seines Spinds. Alle Welt redete von Toleranz gegenüber Gays. Aber nur, so lange sie keinen kannten. Er würde seine gut laufende Karriere bei der Vancouver Polizei nicht auf so eine idiotische Art verspielen.
Sein Handy klingelte im Wirrwarr seiner Klamotten. Eigentlich hatte er ja Feierabend. »Hey Jake! Willst du nicht rangehen?« Harry lief an ihm vorbei, ein gelbes Handtuch um die Hüften. Shit!
Er angelte nach dem Handy in seiner Jeans. »Hallo! Michaels hier!«
Der Stockfisch der Einsatzleitung knarrte: »Verkehrsunfall mit wahrscheinlicher Todesfolge Cornwall Avenue/Point Grey Road!«
»Wieso meldest du mir einen Verkehrsunfall?«, schnauzte Jake. »Hast dich wohl verwählt!«
»Nee«, näselte der Stockfisch, »könnte auch Mord sein. Also mach dich auf die Socken, Großer!«
Verflucht! Jake drückte den Stockfisch einfach weg. Cornwall Avenue lag auf seinem Heimweg – also würde er sich die Sache anschauen. Er zog sich rasch an, schnallte seine Dienstwaffe um und zog den grünen Parka über. Nachlässig stopfte er die verschwitzen Sportsachen und das nasse Handtuch in die Umhängetasche und lief zügig zum Ausgang.
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Der blaue Porsche war nur noch ein Schrotthaufen. Es war völlig klar, dass er explodiert war, denn der gesamte Motorblock und das Dach waren abgerissen. Vom Armaturenbrett war noch ein kleines Bruchstück übrig. Seltsamerweise steckte in diesem Teil noch der Zündschlüssel. Wollte jemand mit dem Wagen gerade losfahren, als dieser explodierte? Wo war in diesem Fall der Fahrer geblieben? Jake reckte den Kopf in den demolierten Innenraum – keine Blutspuren. Sehr merkwürdig! Ein Fall für die Spurensicherung. Nachdenklich schlenderte er zu seinem Audi zurück und stieg ein. Welcher Idiot würde so ein teures Auto in die Luft jagen? Okay, es war ein älteres Carrera-Modell – aber trotzdem! Er nahm sein Handy und gab der Spurensicherung einige Details durch. Er fragte nach dem Fahrzeughalter und notierte ihn auf einem der vielen Zettel, die überall in seinem Auto klebten. David Martinal, Seafair. Dem würde er am nächsten Tag einen Besuch abstatten und ihm ein paar Fragen stellen. Irgendwoher kannte er diesen Namen. Die Frage war woher?
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»Sie werden zu dir kommen und Fragen stellen, Mercuran!« Meodern, auf dem großen Ledersofa im Haus der Duocarns in Seafair hingeflegelt, streckte seine Beine lang aus. Er sah den silbrig-weißen Mann mit den intensiven Augen an. »Die Karre war ja auf deinen Namen angemeldet. Es scheint, als hätten wir in Vancouver Feinde, Leute!«
Er verzichtete auf Telepathie, damit Mercuran und Smu ihn verstanden. Meo schaute in die Runde. Tervenarius, Mercuran und Smu nickten.
Terv kniff die Augen zusammen. »Was für ein verdammtes Glück, dass du in dem Auto gesessen hast, Meo!«
Meodern fuhr sich durch sein blondes Stachelhaar. Ihm wäre es um ein Haar an den Kragen gegangen. Er hatte im Moment der Explosion von null auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, was er äußerst ungern tat – aber das hatte ihn gerettet.
»Die Polizei wird das Wrack untersuchen«, brummte Smu und fummelte nachdenklich an einem seiner vielen Ohr-Piercings. »Wir müssen versuchen, diese Untersuchungsergebnisse zu bekommen, Jungs!«
D ie drei Männer nickten zustimmend.
»Vielleicht hatte es jemand auf mich abgesehen, und die Sache hat nichts mit den Duocarns zu tun«, mutmaßte Meodern. »Ich stehe in der Öffentlichkeit und benutze den Porsche nun schon ziemlich lange.«
Solutosan, der den Wagen ursprünglich gekauft hatte, war schon Jahre auf Sublima. Er hatte nie mehr nach dem Auto gefragt. Manchmal vermisste er den Anführer der Duocarns.
Nein, Solutosan war ja nicht mehr der Chef der Kaste – er hatte die Leitung an Tervenarius abgegeben, der ihn nun prüfend mit seinen goldenen Augen musterte. »Lasst uns abwarten, was die Vancouver Polizei von sich gibt. Sie werden einige Zeit brauchen, um die Spuren zu sichern und auszuwerten. Smu, versuche herauszufinden, was deren Untersuchung ergeben hat.«, Terv wandte sich zu ihm. »Und du, Meo, holst uns Proben von dem Porsche, die Patallia dann untersuchen kann.«
»Kein Problem.« Er nickte.
»Ich habe schon eine Idee, wie ich das mache«, überlegte Smu. Er hatte aufgehört, sich das Haar in drei verschiedenen Farbtönen zu färben, und ließ seine natürliche, blonde Mähne über die Schultern wachsen.
Meo musterte die drei Männer. Wie immer würden sie auch dieses Problem gemeinsam klären.
Er erhob sich und ging in die Küche. Die Kefir-Vorräte gingen zur Neige. Aber Sam, ihr Milchmann, war zuverlässig. Er öffnete die hintere Küchentür mit seinem Gencode. Sam und seine hübsche, dunkelhaarige Tochter, waren eben dabei, große Mengen an Milchtüten neben die Tür zu stapeln.
Das Mädchen musterte ihn mit errötenden Wangen. »Sind Sie nicht … sind Sie nicht …«, stammelte sie und beachtete nicht den scharfen Seitenblick ihres Vaters.
»Adam, der Ägypter?«, grinste Meodern. »Du scheinst Modezeitschriften zu lesen.«
»Sie verschlingt sie«, knurrte Sam und stieß das Mädchen unwillig mit dem Ellenbogen in die Seite.
»Kann ich ein Autogramm haben?«, hauchte sie.
»Jetzt schlägts aber dreizehn!«, empörte Sam sich. »Du kannst doch nicht unsere Kunden belästigen!«
»Schon gut, Sam!« Meo grinste belustigt, was das Mädchen noch mehr zum Erröten brachte. »Aber ich habe jetzt keine Autogrammkarte hier.«
»Auf mein T-Shirt?«, fragte das Mädchen atemlos und reichte ihm einen Filzstift. Sam schnaufte.
»Dreh dich um!« Er würde ihr auf keinen Fall ein Autogramm auf ihre, zugegebenermaßen reizvollen, Brüste geben. Also schrieb er mit großen Lettern »Adam« auf ihren Rücken und beobachtete mit Vergnügen, wie sich dabei eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete.
»Jetzt reichts! Los komm, Mary! Und bedank dich!«
»Danke!«, wisperte sie.
Meodern nickte nur und nahm zwei Milchpakete hoch, um sie in die Küche zu tragen, Marys Blick auf seinen bloßen Armen. Hatte er sich an diese Art Bewunderung gewöhnt? Eigentlich nicht. Manchmal war es ihm sogar lästig. Aus diesem Grund war er oftmals recht froh nach Duonalia zu gehen, um mit Trianora in ihrem ruhigen Stadthaus zu wohnen. Vielleicht hätte er den Vertrag mit Terzia doch nicht verlängern sollen, der ihn verpflichtete noch weitere zwei Saisons für ihre Firma zu modeln. Aber was war schon Zeit, dachte er gleichmütig. Er stapelte die restliche Milch ins Haus. Diese Art Gelassenheit war der Luxus der Unsterblichkeit.
Auf der Anrichte in der Küche drängten sich die Kefir-Behälter. Meo schüttete die Reste zusammen, nahm vorsichtig die Kefirpilze heraus und legte sie in ein Sieb. Nachdem er die Gefäße mit kochendem Wasser ausgespült hatte, setzte er die Pilze hinein und füllte sie wieder randvoll mit Milch auf. Eine wichtige Arbeit, die den Duocarns auf der Erde die Nahrung sicherte.
Er nahm ein Glas Kefir und setzte sich an den Küchentisch. Kefir schmeckte ihm eigentlich besser als Dona, aber Dona war vielseitiger, denn daraus konnte man sogar Puddings und Kuchen machen. Er hatte Trianora von der Erde Zucker mitgebracht. Seitdem gab es gelegentlich auch süßen Donakuchen, den er besonders mochte. Er lächelte in Gedanken an Trianora. Seine Entscheidung sie zu wählen statt Terzia, war richtig gewesen. Terzia hatte einen regelrechten Theaterauftritt inszeniert, als er ihr seinen Entschluss mitgeteilt hatte. Zuerst war sie in Tränen aufgelöst, was ihr überhaupt nicht stand. Anschließend war sie richtig wütend geworden, aber letztendlich hatte sich ihr Geschäftssinn wieder eingeschaltet und sie hatte sich beruhigt. Er war schließlich ihr Zugpferd. Zumindest momentan noch. Er wusste, wie schnell eine Karriere in der Modebranche vorbei sein konnte.
Gedankenverloren betrachtete er Mercuran, der in die Küche getreten war und den Kühlschrank plünderte. Er schüttelte einen Erdbeer-Milchshake, denn seit seiner Verwandlung vertrug er nur noch flüssige Nahrung.
»Am Grübeln?« Mercuran schüttete das fertige Getränk in ein Glas.
»Nein, es ist alles okay.« Er runzelte die Stirn. »Schmeckt das Zeug?«
Mercuran nickte. »Ich bin ja froh, dass ich alle Getränke vertrage und nicht nur diesen sauren Kefir trinken muss. Wie ihr Aliens das nur aushaltet!« Er grinste.
Meo knurrte. »Guck mal in den Spiegel, du Thermometer!« Meo fand, dass Mercuran, seit er durch das Sternentor gegangen war und Quecksilber in den Adern hatte, sich ebenfalls zu den Außerirdischen rechnen konnte!
»Was willst du eigentlich der Polizei erzählen?« Meo nahm noch einen großen Schluck.
»Hmm!« Mercuran stellte sein leeres Glas in die Spülmaschine und wischte sich den Mund mit einem Papiertuch ab. »Gute Frage.«
Meo schaute ihn nachdenklich an. »Wenn ich nicht noch den Koffer mit dem Geld mitgerissen hätte, wäre in Vancouver durch die Explosion Zahltag gewesen. Kannst du dir vorstellen, wie sich achthunderttausend Dollar in den Straßen verteilt hätten?«
Tervenarius stand in der Küchentür. »Ihr Götter! An das Geld habe ich noch überhaupt nicht gedacht, Meo! Wir müssen Bill über die Sache informieren!«
Er nickte. »Der Porsche explodierte sofort nachdem ich von Bill zurückkam und den Zündschlüssel gedreht habe. Jemand muss mich verfolgt und zwischenzeitlich die Bombe im Auto deponiert haben.«
Tervenarius, der den Arm um Mercuran gelegt hatte, nickte. »Okay, David, ich habe mir etwas ausgedacht.«
Mercuran strahlte ihn an. Meo wusste, dass er es liebte, wenn sein Freund ihn bei seinem alten Namen nannte.
»Wie wäre es mit folgender Geschichte: Bill ist ein Bekannter von dir. Du hast ihn am Vortag besucht, ihr seid in seiner Wohnung einen trinken gewesen, und deshalb hast du den Wagen dort stehengelassen. Dann bist du mit einem Taxi nach Hause gefahren. Mit welchem Unternehmen weißt du nicht mehr.« Terv machte eine Pause. »Wenn die Polizei klingelt, tust du überrascht, als ob du nicht wüsstest, was dem Porsche passiert ist.«
»Eine jämmerliche Story«, grunzte Meo.
»Hast du eine bessere?« Tervenarius runzelte die Brauen.
Meodern dachte nach. Die Sache war verzwickt. »Der Zündschlüssel«, sagte er langsam. »Wenn der noch gesteckt hat …«
»Die Kiste ist explodiert, Meo!«, erinnerte Tervenarius ihn.
Mercuran schnaufte leise. »Trügt mich mein Gefühl oder habe ich hier die schlechtesten Karten? Ich kann mich letztendlich einfach nur dumm stellen. Sollte die Polizei den Schlüssel in dem Schrotthaufen finden – was sage ich dann?«
»Den hast du wohl aus Versehen steckengelassen?«, mutmaßte Tervenarius.
»In einem teuren Porsche? Oh Gott, wenn das mal gutgeht!«
Terv schlang den Arm fester um ihn.